"Müssen die Leute mit klarkommen": US-Schwimmerin Hayes über Schwimmen ohne Badekappe
BERLIN – Es ist schwer, Team USA bei einem großen Sportereignis zu übersehen – mit ihren lauten Anfeuerungsrufen, ihrer großen Delegation und ihren starken Persönlichkeiten.
Doch eine studentische Athletin fällt aus einem ganz anderen Grund auf: Sie ist die einzige weibliche Schwimmerin bei den Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games, die ohne Badekappe und mit kahl rasiertem Kopf antritt – ein mutiges Statement.
Die 19-Jährige, die in Berlin Gold über 400 Meter Lagen holte, trägt auch außerhalb des Beckens weder Perücke noch Mütze. Ihr Auftritt ist ein bewusstes Statement: Hayes will Aufmerksamkeit schaffen – und Vorbild sein für andere, die mit der Autoimmunerkrankung Alopecia areata leben.
„Ich treffe Schwimmerinnen, kleine Mädchen mit Alopecia“, erzählte sie dem FISU Games News Service.
„Ich engagiere mich ein bisschen in der Jugendarbeit für Kinder mit Alopecia, weil ich das selbst als Kind nicht hatte – und gemerkt habe, wie sehr ich mir das damals gewünscht hätte.
Ich dachte: ‚Dann mach ich mich eben selbst zur Ansprechperson und teile meine Geschichte.‘ Ich fühle mich total verbunden mit den Mädchen, die auch Alopecia haben – als wären wir Zwillinge.“
Plötzlicher Haarverlust
Hayes erhielt ihre Diagnose im Alter von etwa sechs Jahren – mit der seltensten Form der Erkrankung: Alopecia universalis. Sie verlor innerhalb von drei Monaten ihr gesamtes Kopfhaar. Später fielen auch ihre Körperbehaarung und – seit Kurzem – die Wimpern aus.
„Ich erinnere mich kaum an den Moment der Diagnose – das ist ewig her, ich war vielleicht sechs bis acht Jahre alt“, sagt sie.
„Vier Jahre lang trug ich eine Perücke, weil ich Angst hatte, wie die Leute reagieren, und mich selbst noch nicht wohlfühlte.
Danach dachte ich: ‚Ich mach das nicht mehr. Es ist zu anstrengend, eine Perücke zu tragen – das bin einfach nicht ich. Die Leute müssen mich eben so akzeptieren, wie ich bin.‘“
Mehr als nur ein Vorbild im Wasser
Neben ihrem Sieg im 400m-Lagen-Finale gewann Hayes auch Gold mit der US-Staffel über 4x100m Freistil. Dabei hat ihr offener Umgang mit der Krankheit nicht nur anderen geholfen – sondern auch ihr selbst.
„Wenn mir Menschen sagen, dass ich ihnen mit meinem Auftreten und meiner Offenheit geholfen habe, dann bewegt mich das mehr als alles andere – im Sport und im Leben.“
Olympische Trainingsgruppe
Hayes’ Erfolge kommen nicht von ungefähr: Sie trainiert an der University of Virginia – gemeinsam mit Olympiasilbermedaillengewinnerinnen wie Katie Grimes, Claire Curzan und Alex Walsh. Auch deren Schwester Gretchen Walsh, die bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 zweimal Gold und zweimal Silber gewann, gehört zum Team.
„Ehrlich gesagt, das ganze Team besteht aus Superstars“, sagt Hayes.
„Es ist demütigend, mit ihnen zu trainieren. Aber wenn man sie persönlich kennt, merkt man: Diese unglaublichen Athletinnen sind auch einfach Menschen. Zu sehen, wie hart sie arbeiten, hat mich wohl am meisten geprägt.
Selbst die Besten haben Tage, an denen sie sich nicht gut fühlen – aber sie geben trotzdem ihr Bestes. Genau das macht sie so gut.“
Neue Gewohnheiten, neue Erfolge
Hayes hat diesen Geist mit nach Deutschland gebracht – und am Tag ihres Goldlaufs mit einer neuen Routine begonnen: dem Hören von Motivations-Podcasts.
„Ich dachte: ‚Alles in meinem Leben hat mich zu diesem Moment geführt. Das ist mein Moment, und ich werde das Beste daraus machen.‘ Ich war nervös, habe richtig gezittert vor dem Rennen. Aber dann sagte ich mir: ‚Ich lasse meine Nervosität und meine Angst nicht diese Chance kaputtmachen.‘“
Und ihr größter Glaube – im Sport wie im Leben?
„Am Ende des Tages muss man einfach man selbst sein – das ist der sicherste Weg zu echtem Glück. Wer sich selbst treu bleibt, bekommt das Beste vom Leben.“